Was gehört zur Logistik eines E-Commerce-Unternehmens? Wie kann ein reibungsloser Ablauf organisiert werden? Wir zeigen, welche Teilbereiche der Logistik zuzuordnen sind und wie sie in der Praxis organisiert werden.
Beim Thema Logistik denken viele vor allem an Versanddienstleister wie DHL oder Hermes. Logischerweise beschränkt sich dann also die Logistik eines Onlineshops darauf, den passenden Partner auszusuchen und die bereitgestellte Ware einmal pro Tag abholen zu lassen. Tatsächlich ist der Bereich Logistik aber viel komplexer. Er umfasst den kompletten Betriebsablauf eines Unternehmens von der Beschaffung, über die Lagerhaltung bis hin zum Versand. In der Betriebswirtschaftslehre unterteilt man die Logistik in vier Teilbereiche, die vier Säulen der Logistik. Im Einzelnen sind das die Beschaffungslogistik, die Produktionslogistik, die Distributionslogistik und die Entsorgungslogistik. Im Folgenden wollen wir Ihnen die Bereiche vorstellen und aufzeigen, warum es so wichtig ist, die Logistik des Betriebs zu überprüfen und zu optimieren.
Inhaltsverzeichnis
Für „Kleine“ unwichtig?
Wer als Einzelunternehmer der einzige Mitarbeiter seines Onlineshops ist, muss sich um das Thema Logistik nur wenig Gedanken machen. Denkt man zumindest! Wenn es im Shop nur 30 verschiedene Produkte gibt, lässt sich das bequem in der Garage lagern. Mit wenigen Schritten und einem Handgriff packt man sich nach einer Bestellung die Ware, verpackt sie und stellt sie an die Tür für die Abholung durch den Paketboten. Der ganze Vorgang dauert kaum mehr als ein, zwei Minuten. Leert sich der Vorrat eines der vorrätigen Produkte, bestellt der Webseller die Ware neu. All die aufgeführten Aufgaben fallen natürlich auch in einem Onlineshop mit höherem Umsatz, mehr Bestellungen und einem eigenen Mitarbeiterstab an. Und hier wird die Organisation der Logistik unerlässlich, um Arbeitsabläufe zu optimieren, totes Kapital zu minimieren und die eigenen Kosten beziffern und auf einzelne Produkte umrechnen zu können.
Totes Kapital
Beginnen wir mit der Beschaffungslogistik. Hierbei geht es darum, Waren exakt dann und in der Menge geliefert zu bekommen, wie man sie auch braucht. Klingt simpel, ist aber in der Praxis komplexer, als man denkt. Als Webseller muss man logischerweise die Ware, die man verkaufen und möglichst noch am selben Tag versenden möchte, vorrätig haben. So muss vermieden werden, dass Produkte, die von Kunden regelmäßig nachgefragt werden, erst beim Lieferanten bestellt werden müssen, wenn der Lagerbestand auf null abgesunken ist. In der Zeit, in der der Kunde im Shop „nicht vorrätig“ oder „Lieferung in zwei Wochen“ als Status zu sehen bekommt, sinken die Verkaufszahlen grundsätzlich dramatisch ein. Also sollte man sich als Webseller wie ein Hamster mit allen Produkten in ausreichender Zahl eindecken? Auch dieses andere Extrem ist alles andere als empfehlenswert, denn wenn viel Ware vorrätig ist, benötigt man zum einen großes Lagervolumen – und das kostet. Zum anderen ist die Ware, die im Lager liegt, totes Kapital. Die Produkte mussten bereits beim Lieferanten bezahlt werden, bringen aber für den Shop derzeit keinen Ertrag.
Mindestbestand festlegen
Die Kunst in der Beschaffungslogistik besteht also darin, so viel Ware wie nötig vorrätig zu haben und so wenig wie möglich. Dies betrifft nicht nur einen großen Onlineshop mit riesigem Lager, sondern auch den kleinen mit der Garage als Aufbewahrungsstätte! Um dieses Ziel zu erreichen, muss jedes einzelne Produkt, das im Sortiment geführt wird, unter die Lupe genommen werden. Entscheidend für die professionelle Planung in der Beschaffungslogistik sind zunächst zuverlässige Daten – möglichst über einen längeren Zeitraum gemessen. Wichtig sind dabei vor allem zwei Parameter: Wie oft wird das Produkt durchschnittlich pro Tag verkauft und wie lange dauert es, bis nach einer Bestellung beim Lieferanten neue Ware zur Verfügung steht? Liegen diese Werte vor, legt man für das Produkt einen Mindestbestand fest. Dieser dient in der Praxis als Puffer, der Verzögerungen bei der Beschaffung durch Lieferanten oder unerwartet große Bestellmengen der eigenen Kunden auffangen soll. Nehmen wir als Beispiel an, dass ein Shop pro Tag fünf Brettspiele „Die Siedler von Catan verkauft“. Als Mindestbestand legt der Händler 35 Spiele fest, den durchschnittlichen Verbrauch einer Woche.
Meldebestand berechnen
Damit der Händler aber immer rechtzeitig bei seinem Lieferanten bestellt, bevor diese Mindestmenge unterschritten wird, benötigt er nicht nur diesen vordefinierten Mindestbestand, sondern eine zusätzliche Zahl: den Meldebestand. Dieser ergibt sich aus einer einfachen Formel: Tagesverbrauch multipliziert mit der Lieferzeit zuzüglich dem Mindestbestand. In unserem Beispielfall gehen wir davon aus, dass der Großhändler für Nachlieferungen an den Shop im Schnitt fünf Tage benötigt. Der Meldebestand beträgt demnach 60 Spiele (5*5+35). Wird dieser Lagerbestand erreicht, sollte das Warenwirtschaftssystem Alarm schlagen und den zuständigen Mitarbeitern der Abteilung „Einkauf“ einen Hinweis geben. Mit professionellen Warenwirtschaftslösungen, wie zum Beispiel denen von Lexware, lässt sich so ein reibungsloser Betriebsablauf organisieren.
Wie hoch die tatsächliche optimale Bestellmenge ist, hängt von den Begebenheiten des Shops und den Konditionen des Lieferanten ab. Wie groß ist das Lager und wie teuer ist es? Sämtliche Kosten, die das Lager verursachen, werden auf die eingelagerten Produkte bilanztechnisch umgelegt. Man zahlt Pacht, Strom, Heizkosten, Mitarbeiterlöhne etc. Zudem wird der Zinsverlust einberechnet, den ein Produkt verursacht, das „nutzlos“ im Lager liegt. All dies ergeben zusammen die Lagerhaltungskosten. Auf der anderen Seite stehen die Bestellkosten, die in der Regel höher sind, wenn kleine Mengen in kürzeren Abständen bestellt werden, als wenn der Webseller eine Großbestellung aufgibt. Gewährt der Lieferant Sonderkonditionen bei höheren Abnahmen? Wie hoch sind die Versandkosten? Auch hier werden wieder sämtliche zurechenbare Kosten auf jedes einzelne Produkt umgelegt und ergeben die jeweiligen Bestellkosten. Zusammenfassend lässt sich das Ergebnis auf einen Nenner reduzieren: Bei niedrigen Bestellmengen sind die Bestellkosten hoch, die Lagerhaltungskosten hingegen niedrig. Bei großen Bestellmengen sind die Bestellkosten pro Stück niedrig, dafür aber die Lagerhaltungskosten höher. Die optimale Bestellmenge ergibt sich dann letztendlich durch die Summe der beiden Kosten. Die Menge, die den geringsten Wert der fixen und variablen Kosten aufweist, ist die optimale Bestellmenge! Die kommt natürlich nicht nur bei Verkaufsware zum Einsatz, sondern auch bei Verbrauchsgütern wie Verpackungsmaterialien.
Produktionslogistik
Die zweite Säule der Logistik betrifft die Produktionslogistik. Da in Onlineshops jedoch in der Regel nichts produziert wird, können wir uns bei dieser Säule auf einen Teilbereich beschränken: die Lagerlogistik. Dabei sind im Kern folgende Aufgaben wichtig: Der Webseller sollte sich jederzeit über den Lagerbestand jedes einzelnen Produktes informieren können. Die Lagerkapazität sollte maximal ausgeschöpft werden. Produkte müssen verzögerungsfrei gefunden werden können, um eine schnelle Kommissionierung zu gewährleisten. Eingehende Ware sollte schnell verbucht und im Lager untergebracht werden können. Die Aufgaben sind also klar definiert, die Wege dorthin sind jedoch je nach Größe des Shops unterschiedlich.
Das Festplatzsystem
Nehmen wir zunächst das Beispiel des kleinen Onlineshops mit wenigen unterschiedlichen Produkten, die alle in der heimischen Garage gelagert werden. Hier ist die Organisation noch ziemlich simpel. Der Webseller stellt mehrere Regale auf, beschriftet die einzelnen Fächer und befüllt sie mit den entsprechenden Waren. Kommt neue Ware an, verbucht er diese in der Warenwirtschaft und sortiert sie zu den bereits vorhandenen. Kommt eine Bestellung rein, weiß der Webseller genau, wo jedes einzelne Produkt liegt und sucht sie sich zusammen, um die Bestellung zu kommissionieren. Bei dieser Art der Lagerhaltung spricht man von einem klassischen Festplatzsystem.
Chaotische Lagerhaltung
Man kann sich vorstellen, dass diese Art der Lagerhaltung zunehmend schlechter funktioniert, je höher die Anzahl der Produkte und der zu kommissionierenden Bestellungen wird. Es ist nachvollziehbar, dass beispielsweise bei Amazon nicht alle PCs in Hochregal A lagern, sich alle Taschenbücher in Hochregal C befinden und alle Winterjacken in Hochregal E platziert sind. Aber warum eigentlich nicht? Um große Lager optimal nutzen zu können, sind klassische Organisationslösungen ungeeignet. Und zwar aus einem einfachen Grund: Es ist nicht effizient, wenn ein Lagerarbeiter mit seinem Stapler erst fünfzig Meter fahren muss, weil das Produkt X immer „da hinten“ untergebracht wird, während in fünf Metern Entfernung ein Lagerplatz frei wäre. Hier kommt die „chaotische Lagerhaltung“ ins Spiel. Hierbei übernimmt der Computer die Organisation des Lagers. Er bestimmt beim Wareneingang, wo die Ware gelagert werden soll. Dank Funkchips, hier kommen inzwischen zumeist RFID-Lösungen zum Einsatz, weiß der Computer zu jedem Zeitpunkt genau, wo sich welches Produkt befindet. Bei der Auswahl des Lagerplatzes eines Wareneingangs ist in erster Linie entscheidend, wo ein Platz frei ist. Dabei ist es ihm egal, ob ein PC neben einer Damenhandtasche oder neben einem Notebook gelagert wird. Zweitens ist wichtig, dass die Einlagerung und die spätere Auslagerung möglichst schnell von statten geht und die Lagerwege so kurz wie möglich gehalten werden. Dabei arbeiten die meisten Unternehmen mit Klassifizierungen ihrer Produkte. Bei Produkten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit das Lager schnell wieder verlassen werden, wird auf kurze Wege besonders geachtet. Nicht so nachgefragte Produkte hingegen bringt man an weiter entfernte Plätze. Bei der chaotischen Lagerhaltung ist die Platzierung also nicht völlig zufällig, sondern bedarf einer ausgeklügelten Logistiksoftware im Hintergrund.
Distributionslogistik
Die dritte Säule der Logistik betrifft die Distributionslogistik. Und hierbei gilt es die Aufgabe zu bewältigen, dass bestellte Ware möglichst schnell beim Kunden landet. Zunächst einmal kommt dabei die Verzahnung von Shopsoftware und Warenwirtschaft ins Spiel. Verkaufte Produkte müssen den Lagerbestand in der Warenwirtschaft sofort verringern und dies an die Shopsoftware rückmelden, damit man später keine Ware verkauft, die man gar nicht mehr vorrätig hat. Zudem sollte automatisch ein Kommissionierungsauftrag nebst entsprechendem Lieferschein erstellt werden, der in dem Lager für Betriebsamkeit sorgt. Ware besorgen, Lieferschein und gegebenenfalls Rechnung beilegen, verpacken, labeln und für den Warenausgang freigeben. Diese Meldung wiederum muss sofort an den Versanddienstleister in Form eines Abholauftrags gehen. Die großen Versandanbieter in Deutschland generieren schon bei einer solchen Auftragserteilung einen Sendungscode, anhand dessen der Kunde das Paket nachverfolgen kann. Ein gut organisierter Shop informiert seinen Kunden schon über den bevorstehenden Versand nebst passendem Sendungscode, bevor der Paketbote die Lieferung überhaupt übernommen hat! Eine solche zeitnah verschickte Transaktionsmail sorgt nachweislich für eine Verringerung der Retourenwahrscheinlichkeit.
Neue Lösungen
Entscheidend für eine funktionierende Distributionslogistik sind letztendlich zwei Faktoren. Die Kommissionierung inhouse muss möglichst schnell und automatisch erfolgen. Für Webseller besteht die Herausforderung darin, Aufgaben zu standardisieren, um die Fehlerquote sowie die Kosten so gering wie möglich zu halten. Der zweite Faktor ist die effiziente Zusammenarbeit mit den Versanddienstleistern. Inzwischen bringen alle gängigen Shopsysteme Schnittstellen zu den großen Anbietern mit, damit Abholungsaufträge automatisch erstellt und weitergeleitet werden. Ist dies bei Ihrer Shopsoftware nicht der Fall, unterstützen die Onlineportale der Versender, bei denen Tools dabei helfen, große Auftragsmengen mit wenig Aufwand zu erstellen. Für kleine Versandmengen kann solch eine Lösung völlig ausreichend sein. Versender wie Kunden können sich dabei über ständige Weiterentwicklungen der Serviceleistung der Anbieter freuen. So bietet beispielsweise Hermes eine kostenlose iPad-App, die die Kunden beim Paketversand unterstützt. So können Kunden auf dem Touchdisplay die Versandkosten berechnen, den nächstgelegenen PaketShop finden und sich über den Sendungsstatus informieren lassen. „Mittelfristig wollen wir unseren Kunden ermöglichen, den Paketversand komplett mobil abzuwickeln – von der Paketscheinerstellung bis zur Bezahlung“, erläutert Dirk Rahn, Geschäftsführer Operations bei der Hermes Logistik Gruppe Deutschland.
Entsorgungslogistik
Die vierte Säule der Logistik beschäftigt sich mit der Entsorgungslogistik. Auch hier ist eher das produzierende Gewerbe gefordert als der Onlinehandel. Nichtsdestotrotz gilt es natürlich auch hier Lösungen zu finden, Verpackungsmaterialien der Lieferanten schnell und effizient zu entsorgen. Lagerplätze dürfen nicht unnötig blockiert werden, die direkt anfallenden Entsorgungskosten und der Arbeitsaufwand für die Mitarbeiter minimiert werden. Ein Teil der Logistik, der im Säulenmodell der Betriebswirtschaftslehre nicht direkt vorkommt, ist das Retourenmanagement. Kein Wunder, denn als das Modell entwickelt wurde, mussten sich nur wenige große Versandhäuser mit Retouren in nennenswerter Höhe arrangieren. Durch den Onlinehandel ist diese Herausforderung nun von vielen Marktteilnehmern zu lösen.
Zur Logistik Ihres Shops zählt natürlich auch das Retourenmanagement. Lesen Sie, wie Sie wie Sie die Retourenquote senken und aus jeder eingehenden Retoure für die Zukunft lernen können. Sind letztendlich alle Facetten der betrieblichen Logistik organisiert, senkt ein Shop nachhaltig seine Kosten und ist besser aufgestellt für den harten Wettbewerb im Internet!
Bildquelle: Docdata