Mit seinem neuen Angebot „Webstore“ steigt Amazon nun auch in den Mietshopmarkt ein. Doch können Webseller tatsächlich von der Lösung profitieren? Lesen Sie, welche Stärken und Schwächen beim Amazon Webstore zu finden sind.
Lange haben Online-Händler hierzulande auf das Angebot warten müssen. Bereits seit 2008 bietet Amazon in den USA die Mietshoplösung Webstore an, erst jetzt ist die Lösung auch in Deutschland erhältlich. Doch was lange währt, wird ja bekanntlich gut. Und so startet der Webstore mit jeder Menge Vorschusslorbeeren aus den Vereinigten Staaten, wo unter anderem namhafte Firmen wie Fruit of the Looms, Marks & Spencer und MTV auf die Lösung setzen. Müssen sich die etablierten Mietshopanbieter wie 1&1 und Strato also warm anziehen, weil Amazon den Markt hierzulande aufrollen wird? Entscheiden Sie selbst. Wir haben den Amazon Webstore für Sie ausführlich unter die Lupe genommen.
Zwei Varianten
Der Amazon Webstore ist mehr als eine klassische Mietshoplösung, denn inbegriffen ist unter anderem das E-Payment – doch dazu später mehr. Wer sich für den Webstore interessiert, muss sich zwischen zwei unterschiedlichen Modellen entscheiden. Variante 1: Sie verkaufen ausschließlich über Ihren Shop mit eigener URL (die Sie sich separat besorgen müssen). Variante 2: Sie verkaufen über Ihren Shop und zusätzlich über den Amazon Marketplace („Verkaufen bei Amazon“) und können optional auch den „Versand über Amazon“ nutzen. Wollen Sie diese beiden Services in Anspruch nehmen, fallen zusätzliche Gebühren an. Egal, für welchen Webstore Sie sich entscheiden: Die monatlichen Kosten sind mit 24,99 Euro identisch – und im Vergleich zu anderen Lösungen erstaunlich günstig. Für „Verkaufen bei Amazon“ fällt noch eine zusätzliche Grundgebühr von 39 Euro an.
Die Kosten im Überblick
Mit der monatlichen Grundgebühr sind die Kosten für interessierte Webseller aber noch nicht abgeschlossen. Amazon setzt nämlich auf ein Preismodell, das sich am Umsatz des Händlers orientiert. Verkaufen Sie Produkte über Ihren eigenen Online-Shop (nicht über Amazon!), werden 2 Prozent des Verkaufspreises als Provision an Amazon fällig. Dieses Preismodell dürfte wohl einzigartig im Mietshopmarkt sein. Zusätzlich müssen Sie eine Transaktionsgebühr für die Zahlungsabwicklung zahlen. Pro Kundenzahlung ist das ein Fixbetrag von 0,35 Euro zuzüglich 1,4 bis 1,9 Prozent des Kaufpreises. Diese Transaktionsgebühren werden auch dann fällig, wenn Sie Ihre Artikel über den Amazon Marketplace verkaufen. Dabei werden dann statt der 2 Prozent für den Verkauf im eigenen Shop mindestens 7 Prozent Verkaufsprovision fällig. Wer seine Waren zudem direkt von Amazon versenden lassen möchte, zahlt hierfür noch zusätzlich.
Zahlung über Amazon
Die bereits erwähnten Transaktionsgebühren werden für die Zahlungsabwicklung über „Amazon Payments“ fällig. Diese Zahlungsabwicklung müssen Sie nutzen, wenn Sie den Amazon Webstore einsetzen wollen. Eigene Vorkasselösungen, um die zweiprozentige Gebühr zu umgehen, oder die Implementierung zusätzlicher Zahlungsalternativen sind nicht möglich. Auch das ist für einen Mietshop extrem ungewöhnlich. Die Lösung, die Amazon seinen Webstore-Händlern vorschreibt, hat aber auch Vorteile. So werden die Verkäufer automatisch vor einem Zahlungsausfall geschützt. Je nach Ihren Vorgaben, loggen sich Ihre Kunden in Ihrem Shop direkt mit Ihren Amazon-Kontodaten ein, oder erstellen ein neues. Oder aber Sie wollen vermeiden, dass eine Zusammenarbeit mit Amazon optisch ersichtlich ist und lassen Ihre Kunden bei Ihnen ein separates Benutzerkonto anlegen. Die Zahlungsabwicklung läuft aber auch in diesem Fall über Amazon.
Skalierbare Shopinfrastruktur
Der entscheidende Vorteil, den ein Amazon Webstore in der Praxis mitbringt, ist aber nicht der Schutz der Händler vor Zahlungsausfällen, sondern die Leistungsfähigkeit des Shopsystems. Begrenzungen bei der Produktanzahl wie bei anderen Lösungen werden Sie beispielsweise hier nicht finden. Zu einem wichtigen Faktor für Händler kann auch werden, dass das Hosting des Shops von Amazon übernommen wird und bei Lastspitzen automatisch skaliert wird. Sollten Sie Ihre Kunden also beispielsweise mit einer groß angelegten Gutscheinaktion in Ihren Shop locken, werden Sie nicht fürchten müssen, dass Ihr Shop unter der Flut von Anfragen zusammenbricht. So verärgern Sie nicht Ihre Kunden und riskieren auch nicht, dass Google Sie wegen eines zu langsamen Seitenaufbaus abstrafen könnte. Der Faktor Amazon-IT und flexible Skalierbarkeit wird natürlich auch dann wichtig, wenn Ihr Shop aus den Kinderschuhen herauswächst und sich die Anforderungen an die Webserver-Technologie signifikant erhöht. Das muss Sie als Nutzer eines Amazon Webstores nicht kümmern, denn die Infrastruktur würde im Hintergrund automatisch angepasst. Bei herkömmlichen Mietshoplösungen hingegen würde Sie ein solch großer Erfolg des Shops vor große technische Herausforderungen stellen.
Überzeugende SaaS-Lösung
Entscheidend für die Frage, ob für einen Webseller ein Amazon Webstore eine interessante Option sein könnte, ist natürlich die Tatsache, wie leicht sich ein Shop einrichten und ein schickes Design auswählen lässt. Die Registrierung eines neuen Webstores dauert nur wenige Minuten und kann direkt online vorgenommen werden. Anschließend gelangen Sie als angemeldeter Nutzer in die „Amazon Services Europe seller central“ – hier legen Sie neue Artikel an, gestalten Ihren Shop, starten Werbeaktionen und kümmern sich später um eingegangene Bestellungen. Die gesamte Oberfläche ist sehr benutzerfreundlich konzipiert. Sie werden sich schnell zurechtfinden. Zunächst können Sie eigene Artikel und Kategorien anlegen. Hierbei können Sie bestehende CSV-Listen importieren, falls Sie von einem anderen Shopsystem migrieren. Gleiches gilt für Nutzer, die bereits den Service „Verkaufen über Amazon“ nutzen. Diese Artikel lassen sich per Klick ebenso leicht importieren. Wollen Sie Artikel komplett neu anlegen, können Sie die entsprechenden Produkte in der Amazon-Datenbank suchen lassen. Sind diese dabei, können Sie Informationen wie den EAN-Code komfortabel übernehmen.
Veränderbare Vorlagen
Bei der Gestaltung Ihres Shops stehen Ihnen elf Designmotive zur Auswahl. Sie müssen allerdings keine Sorge haben, dass man Ihrem Store die Mietshopherkunft ansieht, denn diese Designs untergliedern sich noch in unzählige Farbvariationen. Zudem können Sie die Vorlagen nach eigenen Wünschen völlig umgestalten und auch eigene Grafikelemente und Bilder einbinden. All dies ist sehr intuitiv gelöst. Ihre Änderungen nehmen Sie in der SaaS-Lösung, die im Übrigen sehr fix reagiert, direkt vor und können sich die Auswirkungen sofort anschauen. Wer schnelle Ergebnisse möchte, kann seinen Shop in wenigen Minuten komplett designen. Wer hingegen selbst kreativ werden will, der kann sich mit seinem Amazon Webstore gestalterisch austoben.
Die „seller central“
Die “Amazon Services Europe seller central“ ist nicht nur für die Ersteinrichtung Ihres Shops der wichtigste Anlaufpunkt, sondern auch im späteren Live-Betrieb. Hier laufen eingehende Bestellungen auf, senden Sie aktuelle Statusmeldungen an die Käufer und überprüfen und aktualisieren den Lagerbestand. Auch Werbeaktionen lassen sich über die seller central starten und zu von Ihnen geplanten Zeiten automatisch online stellen: beispielsweise Rabattaktionen beim Mengenkauf, Gratisversand ab einem Mindestbestellwert oder ähnliches. Auch zeitlich begrenzte Sonderangebote können Sie über den Amazon Webstore bequem planen. Damit Ihr neuer Shop auch ausreichend Kunden begrüßen kann, bietet der Webstore zudem noch einige integrierte Marketing-Tools – beispielsweise die automatische Listung Ihrer Produkte bei Google Shopping. Anregungen, um den Verkauf weiter anzukurbeln, soll außerdem der virtuelle „Amazon Verkaufscoach“ geben, den Sie jederzeit aufrufen können. Eine der wichtigsten Fragen haben wir aber noch nicht angesprochen: Wie läuft die Verbuchung von Amazon-Gebühren und Kundenzahlungen. Ein wichtiger Punkt, schließlich zahlen Ihre Shopkunden nicht direkt an Sie, sondern an Amazon. Dieses angelaufene Guthaben zahlt Amazon im vierzehntäglichen Rhythmus an Sie aus. Die angefallenen Gebühren werden dabei automatisch angerechnet und von der Zahlung abgezogen.
Amazon Webstore: Eine attraktive Lösung?
Ist der Amazon Webstore eine interessante Option für Webseller, oder ein Mietshopangebot, um das Händler einen großen Bogen machen sollten? Selten wurde eine Frage in den Händlerforen so kontrovers diskutiert wie diesmal. Bei der Bewertung des Angebots muss zunächst einmal festgehalten werden, dass Mietshoplösungen generell Nachteile für die Händler mitbringen. So sind die Investitionskosten beim Start zwar niedrig, doch dafür fallen permanent Folgekosten an, die bei maßgeschneiderten Shoplösungen wegfielen. Noch wichtiger ist die Abhängigkeit des Händlers von der Mietshopsoftware. Eigene Funktionen lassen sich nicht hinzufügen. Sie sind abhängig davon, was Ihnen vom Anbieter zur Verfügung gestellt wird. Was fehlt, lässt sich nicht nachrüsten. Die große Stärke des Amazon Webstores ist die Nutzung der Amazon-Infrastruktur im Hintergrund, die angeschlossene Shops extrem leistungsfähig und flexibel machen. Die SaaS-Lösung von Amazon macht zudem einen sehr guten Eindruck und sorgt für eine frustfreie Einrichtung und einen reibungslosen Betrieb. Auch der integrierte Schutz vor Zahlungsausfall und die optionale Anbindung an Amazon Marketplace dürfte vielen Websellern gefallen. Doch die starke Bindung der Webstores an Amazon wird vielen Händlern zweifellos auch Kopfschmerzen bereiten. Keine Möglichkeit, eigene Zahlungsoptionen seinen Kunden anzubieten. Das Betreiben eines Shops, bei dem die Kunden immer erst einmal an Amazon zahlen. Eine zweiprozentige Verkaufsgebühr für Verkäufe, die über den eigenständigen Online-Shop ausgeführt werden, mit dem Amazon eigentlich gar nichts zu tun hat. Das sind eine Menge Kröten, die interessierte Händler schlucken müssten! Dass das System Amazon Webstore für Händler attraktiv sein kann, zeigen die erfolgreichen Referenzen aus den USA. Ob die Webstores für jeden Online-Händler die beste Option sind, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Update: Inzwischen bietet Amazon den Webstore in Deutschland nicht mehr an. Alternative Shopsoftware-Lösungen finden Sie hier.