Ist der Amazon Webstore Fluch oder Segen für die deutschen Onlinehändler? Ich sprach mit Roland Thiemann, Leiter Marketing und PR bei der Trusted Shops GmbH.
Auf www.shopbetreiber-blog.de haben Sie 2008 in einem Beitrag geschrieben, dass der Amazon Webstore den Mietshop-Markt aufrollen könnte. Jetzt kommt der Webstore nach Deutschland. Können sich 1&1, Strato und Co. schon einmal warm anziehen?
Roland Thiemann: Immerhin hat Amazon fünf Jahre ins Land gehen lassen, um mit seinem Webstore international zu expandieren. Ein Indiz dafür, wie wichtig dieser Geschäftsbereich für Amazon zu sein scheint. Ein zusätzlicher Player hat noch keiner Branche geschadet. Denn nur so werden Innovation und Unternehmergeist im positiven Sinne stimuliert. Schlussendlich wird es der Markt selber regeln, welche Anbieter bestehen bleiben.
Wo sehen Sie die möglichen Vorteile des Amazon Webstores für Webseller?
Roland Thiemann: Das Angebotspaket von Amazon Webstore ist schon beeindruckend. Es handelt sich nicht nur um eine einfache Mietshop-Lösung, sondern um ein Full-Service-Angebot für Online-Händler. Was Amazon Webstore von vergleichbaren Anbietern aber in besonderem Maße unterscheidet, ist der Zugriff auf die Amazon-Kundenbasis – nahezu jeder Online-Shopper hat einen Amazon-Account. Dies funktioniert über die Integration von „Verkaufen bei Amazon“ auf den europäischen Marktplätzen www.amazon.de, www.amazon.co.uk, www.amazon.fr, www.amazon.it und www.amazon.es. Zudem können weitere E-Commerce-Dienstleistungen aus dem Amazon Portfolio genutzt werden. Dazu gehören unter anderem die Integration von Amazon Fulfillment, Amazon Payment, Bewertungen und Kommentare, ein Affiliate-Programm für Amazon- und Marketplace-Produkte sowie ein SEM-Tool.
Und welche Nachteile?
Roland Thiemann: Der Shopbetreiber macht sich natürlich in gewissem Maße von Amazon abhängig und schränkt damit eventuell seine Entwicklung ein. Denn eines ist klar: Mietshops sind bis zu einer bestimmten Unternehmensgröße eine ideale Alternative zu einem eigene Shop mit all seinen notwendigen Prozessen im Backend. Doch irgendwann kommt der Punkt an dem der ein Mietshop durch zu viele Barrieren und Reglementierungen das Wachstum des Shopbetreibers ausbremst. Beispielsweise kann dies die Erweiterung des Shopfrontends um zusätzliche Funktionen sein oder die Anpassung der Logistik an die Bedürfnisse des Shopbetreibers usw.
Macht der Webstore Ihrer Meinung nach nur dann Sinn, wenn man auch über Amazon verkauft?
Roland Thiemann: Nein, das kann man so nicht sagen. Sicherlich ist es für den Händler zunächst von Vorteil, wenn er Amazon als zusätzlichen Vertriebskanal nutzt. Aber das entbindet ihn noch lange nicht von der Pflicht, sich einen eigenen Kundenbestand aufzubauen, diesen zu pflegen und weiterzuentwickeln. Wer im Online-Handel nur auf einen Anbieter setzt, der handelt nicht kaufmännische vernünftig, sondern betreibt ein Vabanquespiel.