Daten entscheiden im Online-Marketing heute immer mehr über Erfolg oder Misserfolg einer Kampagne. Denn im Zuge des automatisierten Handels von Werbeplätzen – auch „Programmatic Advertising“ genannt – wird die Ausspielung von Werbung an die richtigen Adressaten immer mehr an Nutzerprofilen ausgerichtet, die durch Daten aus verschiedenen Quellen angereichert werden.
Gastbeitrag von Julius Ewig, Geschäftsführer der metapeople GmbH, Duisburg
Die Daten der Internetnutzer werden in der Regel von Drittanbietern über auf den Webseiten eingebauten Pixel-Tags gewonnen. Diese Tags – zumeist 1×1 Pixel kleine Grafiken – generieren u.a. Informationen über die IP-Adressen (Standorte der Besucher), die verwendeten Betriebssysteme oder auch die genutzten Browser. Und: Anhand der Pixel lassen sich die Aktivitäten der Seitenbesucher nachvollziehen.
71 % der Kunden liebäugeln mit Wechsel des Stromlieferanten
Die so gewonnenen Informationen können u. a. zur erneuten Ansprache des Kunden („Retargeting“) oder auch zur Anpassung des Webangebots durch Umstrukturierungen und eine Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit verwendet werden und sind dadurch von einem hohen Wert für werbetreibende Unternehmen. Insbesondere im Energiemarkt, der seit der Liberalisierung im Jahr 1998 durch eine wachsende Konkurrenz und Wechselbereitschaft der Verbraucher geprägt ist.
Laut einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Ramboll Putz & Partner ist die Bereitschaft der Deutschen, ihren Stromlieferanten zu wechseln, weiter gestiegen. 71 Prozent können sich derzeit grundsätzlich eine Umstellung vorstellen. Im Vorjahr waren es 64 Prozent. Auffallend: 30 Prozent aller Stromkunden in Deutschland planen derzeit konkret einen Anbieter-Wechsel. Zum gleichen Zeitpunkt 2015 waren es lediglich 24 Prozent. Hintergrund ist die mangelnde Zufriedenheit der Kunden mit ihrem aktuellen Stromanbieter: Lediglich 46 Prozent, also weniger als die Hälfte der Befragten, sind aktuell mit ihrem Lieferanten zufrieden (2014: 71 Prozent, 2015: 78 Prozent).
Mehrheit der Wechselwilligen recherchiert im Internet
Vor einem Wechsel des Energieversorgers wollen sich drei Viertel aller Kunden im Internet informieren. Knapp 36 Prozent legen Wert auf Empfehlungen aus dem Bekanntenkreis, 21 Prozent auf Medienberichte. Für die Unternehmen hat der Besuch eines Interessenten auf ihrer Webseite einen doppelten Wert. Zum einen kann dieser durch inhaltliche Argumente von einer Nutzung des eigenen Angebots überzeugt werden.
Zum anderen können anhand der auf den Seiten implementierten Pixel-Tags eine Vielzahl von Daten über den Verbraucher quasi zum „Nulltarif“ erhoben werden: An welchem Standort befindet er sich? Welches Gerät, welches Betriebssystem und welchen Browser nutzt er? Welche Seiten werden wie lange angeschaut? Woher kommt der Besucher – etwa von einer Werbeanzeige, aus einem sozialen Netzwerk, von einem Vertriebspartner oder über die Google-Suche? Welche Produkte werden am Ende bestellt? An welcher Stelle erfolgt ein Abbruch ohne Kauf?
Unerwünschter Daten-Abfluss mit Hilfe von Pixel-Tags
Doch so groß der Nutzen einer Verwendung von Pixel-Tags auch ist, für Energieversorger steckt darin ein erhebliches Risiko. Das Stichwort hierzu ist „Data Leakage“. Dieser unerwünschte Daten-Abfluss ist dann gegeben, wenn einer die beteiligten Drittanbieter die über die Pixel-Tags gewonnen Daten unautorisiert für den eigenen Profit nutzt. Dies kann beispielsweise in der Form ablaufen, dass die gesammelten Nutzerprofile von den Drittanbietern ausgewertet und dann am Markt verkauft werden. Beispielsweise an Konkurrenten auf dem umkämpften Strom- und Gasmarkt.
Oder Werbemarktplätze – sogenannte „Ad Exchanges“ – nutzen die gewonnenen Daten bei der Versteigerung von Anzeigenplätzen und bieten ihren Kunden auf diesem Weg die Möglichkeit einer gezielten Ansprache von bestimmten Nutzergruppen. Im schlimmsten Fall können dann die Daten, die auf der Webseite eines Unternehmens gesammelt wurden, sogar zur Abwerbung eines Kunden durch die Konkurrenz führen.
Studie zeigt bis zu 42 unterschiedliche Pixel-Tags auf der Website
In einer Analyse der Duisburger Performance-Marketing-Agentur metapeople wurden die Web-Domains der zwanzig größten Energieanbieter in Deutschland ausgewertet und hinsichtlich der Integration von Pixel-Tags untersucht. Pro Webauftritt fand dabei eine Suche („Crawling“) über jeweils 500 Unterseiten statt. Insgesamt kamen hierbei 215 Pixel-Tags von 93 Anbietern ans Tageslicht – durchschnittlich also 20 Tags pro Domain.
Die Anzahl der auf den Domains integrierten Pixel-Tags variiert hierbei allerdings sehr stark: Während z.B. im Internet-Auftritt der Kölner RheinEnergie nur ein Pixel-Tag integriert ist, konnten auf der Domain von Thüringer Energie 42 unterschiedliche Tags entdeckt werden. Bei der Untersuchung zeigte sich, dass auf allen untersuchten Domains von Energieversorgungsunternehmen Tracking- und Remarketing-Tags integriert sind. Auf acht Domains waren zudem Tag-Management-Pixel eingebaut, auf sieben Domains Widget-Tags und auf sechs Domains Ad-Tags. Social Media-Tags waren dagegen nur auf 5 Websites und Analytics-Tags sogar nur auf einer Domain festzustellen.
Insgesamt wurden auf den unterschiedlichen Domains Tracking-Tags von 59 und Remarketing-Tags von 36 unterschiedlichen Anbietern gefunden – u.a. von DoubleClick, BidSwitch, BlueKai und Criteo. 24 verschiedene Anbieter haben Ad-Tags auf den Domains integriert – u.a. von Ad Butler, Admeta und Usemax. Es wurden außerdem Social Network-Tags von Facebook gefunden. Zudem konnten Tag-Management-Codes von 2 Anbietern – Google Tag Manager und Tealium – identifiziert werden. Widget-Tags stammten von 4 Anbietern und Analytics-Tags von einem Anbieter.
Risiken werden häufig noch unterschätzt
Angesichts der Risiken, die sich aus dem unautorisierten Abfluss von Daten ergeben, und der großen Anzahl von Tags sollten Energieversorger unbedingt prüfen, welche Tags weshalb auf ihren Seiten integriert sind? Angesichts der Vielzahl von Anbietern, deren Pixel auf den unterschiedlichen Seiten integriert sind, stellt sich die Frage, ob und inwiefern es bereits unternehmensinterne Gesamtübersichten über die auf einer Domain implementierten Pixel gibt.
Zur Vermeidung von Doppelungen und von möglichen Datenverlusten sowie zur Identifizierung von fehlerhaften Pixel-Integrationen empfiehlt sich auf jeden Fall eine zentrale Koordinationsstrategie für das Management der Pixel-Tags. Denn Data Leakage kann zu einem gewichtigen Problem für ein Unternehmen werden, dessen Bedeutung und Ausmaß vielfach noch gar nicht erkannt ist.