Ab dem 8. Februar feiern Millionen Chinesen weltweit eine Woche lang das chinesische Neujahrsfest. Die Feierlichkeiten finden im Kreise der Familie statt und man beschenkt sich, ähnlich wie bei uns zum Weihnachtsfest. Besonders für den Onlinehandel ist diese Zeit sehr lukrativ und aktuelle Zahlen und Prognosen machen das Potenzial für Onlinehändler deutlich. Allein in der chinesischen Neujahrswoche wurden in 2015 im Online- und Offlinehandel insgesamt 95 Milliarden Euro umgesetzt, was eine Umsatzsteigerung von 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr war. Prognosen zufolge wird E-Commerce in China insgesamt 20 Prozent des gesamten Handelsvolumens in 2016 ausmachen. Nenad Cetkovic, COO von Lengow, hat uns Fragen zum E-Commerce in China beantwortet:
Welche Entwicklung sehen Sie im chinesischen Markt?
Nenad Cetkovic: Trotz der Verlangsamung des Wachstums in China, bleiben die Zahlen beeindruckend und der chinesische Markt bleibt nach wie vor sehr lukrativ für Onlinehändler. China ist bereits der größte E-Commerce Markt weltweit, hat ein Umsatzvolumen von 560 Milliarden US-Dollar in 2015 erreicht und das, obwohl die Internetpenetration aktuell noch unter 50% liegt. Es gibt weitere 500 Millionen Chinesen die noch nicht vernetzt sind. Prognosen zufolge erwartet China bis 2018 ein Umsatz von 871 Milliarden Euro.
Das heißt, China wird 40 Prozent des gesamten E-Commerce Marktes einnehmen. Bis 2020 wird der Markt größer als der Markt in den USA, Japan, Großbritannien, Deutschland und Frankreich zusammen sein. Diese Prognosen verdeutlichen, welche Möglichkeiten hier für internationale Onlinehändler bestehen.
Welches Potenzial bietet der Markt deutschen Händlern?
Nenad Cetkovic: Das Potenzial für deutsche Onlinehändler steht außer Frage. Chinesen lieben Marken aus dem Westen und besonders deutsche Produkte mit dem Siegel „Made in Germany“ sind äußerst beliebt. Marken die für Authentizität, Langlebigkeit und Qualität stehen, kommen in China besonders gut an. Im September 2015 hat Alibaba eine strategische Partnerschaft mit der deutschen Metro-Gruppe beschlossen. Vor allem chinesische Konsumenten sollen von der Zusammenarbeit profitieren und das Onlineshopping von deutschen Produkten einfacher machen. Die beliebtesten Produkte im Crossborder E-Commerce sind Babyprodukte, Kosmetik, Mode, Lebensmittel und Gesundheitsprodukte. In 2015 haben bereits 36 Prozent der Online-Shopper in China Produkte aus dem Ausland gekauft.
Erfreulich für internationale Onlinehändler: die Regierung in China macht das Crossborder Handeln einfacher und hat eine freie Handelszone mit niedrigeren Steuern und gelockerten Bestimmungen in Bezug auf den Markteinstieg eingeführt. Ein guter Einstieg in den E-Commerce in China ist die Plattform Tmall Global. Bereits 307 Millionen aktive Kunden und eine Vielzahl an hochwertigen internationaler Ware machen die Plattform für deutsche Onlinehändler sehr attraktiv. Tmall Global gehört zur Alibaba Group und der Markplatz besitzt bereits 60 Prozent des B2C Marktanteils.
JD.com, der zweitgrößte Online-Marktplatz in China, hat im Oktober letzten Jahres eine “Deutsche Mall“ mit deutschen Produkten veröffentlicht. So haben Onlineshopper die Möglichkeit, Produkte von führenden deutschen Marken u.a. von Nivea, Oldenburger und Würenbacher zu bestellen. Eine Absichtserklärung zwischen JD.com und der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) soll außerdem den Verkauf von deutschen, landwirtschaftlichen Produkten steigern – vor allem den Verkauf von Wein, eine der schnellst wachsenden Kategorien im Sortiment von JD.com. Nach Nordamerika und Japan ist Deutschland bereits das drittbeliebteste Herkunftsland von importierter Ware auf JD.com.
Was sind die Besonderheiten des chinesischen Online-Shoppers?
Nenad Cetkovic: Das Verbraucherverhalten hängt in China sehr stark vom Alter ab. Die ältere Generation hat grundsätzlich ein sparsames Verbraucherverhalten auf Grund von einer kommunistischen Erziehung. Verbraucher mittleren Alters schwanken zwischen einem konservativen Konsumverhalten und neuen Trends. Die aktivste und interessanteste Altersgruppe für den Onlinehandel stellen die 19-35 jährigen dar, welche bereits 60 Prozent der Online-Shopper in China ausmacht. Diese Verbrauchergruppe ist weniger sparsam, achtet sehr auf Markenprodukte und ist allgemein bereitwilliger mehr Geld für Entertainment und Elektronik auszugeben. In China leben über eine Millionen Personen mit einem Vermögen von über 1,5 Millionen US Dollar und das bildet zusammen mit der jungen Generation eine äußerst lukrative Zielgruppe um neue Produkte auf dem Markt anzubieten.
Des Weiteren liegt die jüngere Generation ganz weit vorne im Bereich Spontankäufe über das Internet und ist sehr aktiv im Bereich Social Media – hier werden Produkte empfohlen, bewertet und stets neue Trends entdeckt. Auch wenn die Internetpenetration in China niedriger ist – nur 46% im Vergleich zu 84% in Deutschland – legen Chinesen einen größeren Wert auf Social Media. Beeindruckende 75 Prozent der Online-Shopper hinterlassen Kommentare nachdem sie ein Produkt online gekauft haben. Chinesen legen einen besonders großen Wert auf ausführliche Produktbeschreibungen und Bilder im Vergleich zu Europäern. Chinesische Shopper schauen sich im Schnitt 8-Mal so viele Bilder an wie europäische Shopper bevor sie sich für einen Kauf entscheiden.
Was sind die Herausforderungen und Risiken auf dem chinesischen Markt?
Nenad Cetkovic: Chinesische Online-Shopper legen einen besonders großen Wert auf Vertrauen und für internationale Verkäufer stellt dies oft eine Herausforderung dar. Auf der anderen Seite tendieren chinesische Online-Shopper immer mehr dazu, einige ausländische Produkte auf Grund von höherer Qualität zu bevorzugen. Das stellt zunächst einmal keine Herausforderung dar. Allerdings haben einige chinesische Unternehmen ein Büro im Ausland registriert, damit sie ihre Produkte als „Made in XY“ deklarieren können. Dadurch fällt es Verbrauchern nicht immer leicht, dass originale Herkunftsland von Produkten gleich zu erkennen. Deutsche Händler und Marken sollten also ganz genau darauf achten, dass Chinesen genauestens über das Original Herkunftsland informiert werden.
Die Preisgestaltung ist eine weitere Herausforderung. Chinesen bevorzugen Rabatte und sind davon überzeugt, dass ein höherer Preis etwas über die Qualität der Produkte aussagt. Die Sichtweisen variieren allerdings auch je nach Produkt und Verbrauchergruppe. Deshalb ist es besonders wichtig, dass Onlinehändler ihre Zielgruppen ganz genau kennen. Eine weitere Herausforderung sind die sich ständig verändernden Verbraucherverhalten von chinesischen Shoppern. Ein Beispiel war der Übergang von Spirituosen- zu Weinkonsum auf dem chinesischen Alkoholmarkt. Wichtig ist, dass Onlinehändler sich regelmäßig über aktuelle Trends und die Vorlieben der chinesischen Verbraucher informieren. Die Lebensmittel- und Produktsicherheit sollten eine absolute Priorität darstellen, da negative Nachrichten in den Medien die chinesischen Shopper stark beeinflussen.
Über Nenad Cetkovic: Ein „web addict“ mit über 15 Jahren Erfahrung in der Branche. Nenad Cetkovic ist seit 2012 C.O.O bei Lengow. Neue Technologien und die Start-up Welt faszinieren ihn. Er ist Vorstandsmitglied und Berater von diversen Start-ups in der Pariser Szene.