Kundenfreundliches „Zahlen auf Rechnung“ oder ungeliebte Vorkasse? Wer sich bei den angebotenen Zahlungsarten kulant zeigt, hat die Chance auf hohe Umsätze, aber gleichzeitig auch das Risiko hoher Zahlungsausfälle. Hohe Verkaufskunst ist, jedem Neukunden individuell das passende Zahlungsmittel anzubieten.
Anders als beim klassischen Einzelhandel, wo es den einfachen Grundsatz „Ware gegen Bargeld“ gibt, müssen sich Online-Händler seit Anfangszeiten des E-Commerce mit dem Thema Bezahlmöglichkeiten herumschlagen. Dabei lässt sich das Problem auf eine einfache Frage reduzieren: Verkäufer oder Käufer – wer geht in puncto Vertrauen dem anderen gegenüber in Vorleistung? Anders ausgedrückt: Verschicke ich die Ware, obwohl ich das Geld noch nicht bekommen habe? Oder aus Kundensicht: Bezahle ich und vertraue ich darauf, dass mir die Ware auch tatsächlich anschließend geliefert wird?
Zwei Extreme
Als Händler fühlt man sich hin und her gerissen. Bietet man kundenfreundliche Zahlungsarten an, riskiert man Zahlungsausfälle. Wählt man ausschließlich sichere Varianten, riskiert man, dass der ein oder andere Kunde während des Checkouts abspringt. Ein Beispiel ist die Vorkasse, die immer noch von vielen Shopbetreibern bei Neukunden verlangt wird. Geliefert wird die Ware erst dann, wenn der Kunde das Geld per Überweisung bezahlt hat. Dass sich viele Kunden insbesondere bei kleinen, unbekannten Shops mit dieser Zahlungsart schwer tun, liegt auf der Hand.
Das andere Extrem ist die aus Kundensicht attraktivste Zahlungsart „Kauf auf Rechnung“. Hier geht er kein Risiko ein, kann den Erhalt der Ware abwarten, diese in Ruhe prüfen und anschließend bezahlen. Bei dieser Zahlungsart gibt es für Neukunden keinen Grund, einen Checkout-Prozess in letzter Sekunde abzubrechen.
Für Webseller hingegen ist die Zahlungsart hochriskant und mit hohen Folgekosten verbunden. Kann der Kunde auch wirklich zahlen? Und wenn er zahlen kann, erledigt er das auch in der angegebenen Frist, ohne dass ein aufwändiges Mahnverfahren eingeleitet werden muss? Weiteres Problem: Bei Kunden, die auf Rechnung kaufen, ist die Retourenquote häufig deutlich höher als bei anderen!
Finanzielle Schieflage
Zwischen diesen beiden Extremen gibt es noch jede Menge weiterer Zahlungsarten, die mehr oder weniger sicher für den Verkäufer sind. Eine beliebte ist die Zahlung per Lastschrift: Das Geld wird vorn Konto des Käufers abgebucht, dem Verkäufer gutgeschrieben und anschließend wird die Ware verschickt. Hört sich eigentlich sicher an, doch was viele Verkäufer nicht wissen: Innerhalb von sechs Wochen kann sich der Kunde das Geld über seine Bank zurückbuchen lassen. Für den Verkäufer ist also auch die Zahlung per Lastschrift alles andere als risikolos.
Sollten sich die Fälle von betrügerischen, zahlungsunwilligen oder -unfähigen Kunden häufen, kann ein Webshop ganz schnell in finanzielle Schieflage und in existenzielle Not geraten.
Der Mittelweg
Doch wie kann man sich vor solchen Betrügern auf der einen Seite und Kunden, die nicht zahlen können oder wollen, schützen? Hilfe versprechen Zahlungssysteme wie PayPal, die als Vermittler zwischen Verkäufer und Käufer fungieren. Der Kunde registriert sich bei dem Anbieter, wobei die Richtigkeit der Angaben überprüft wird. Der Shopbetreiber kann, wenn er ein solches Zahlungssystem bei sich aufnimmt, einen Zahlungsausfall deutlich minimieren und zudem den ein oder anderen wankelmütigen Besucher so von einem Kauf überzeugen.
Als Kunde braucht man sich für eine Zahlung nur mit seinen PayPal-Daten einzuloggen und muss keine sensiblen Daten wie seine Kreditkartennummer auf der unbekannten Shop-Seite eintragen. Klingt für den Webseller gut, hat aber auch Nachteile. Kostenlos ist dieser Service natürlich für sie nicht! Zudem ist man vor Zahlungsausfallen bei solchen Anbietern auch nicht geschützt, denn sollte eine Forderung des Zahlungsanbieters beim Endkunden nicht eingetrieben werden können, zahlt der Webseller für die Inkasso-Kosten.
Außerdem sind natürlich längst nicht alle potenziellen Neukunden bei PayPal registriert – wer neben der Vorkasse nur solche Zahlungsarten anbietet, wird deshalb auf viele Kunden verzichten müssen.
Professionelles Management
Die eleganteste Lösung für einen Webseller ist, jedem Neukunden individuell passende Zahlungsarten anzubieten. Wer liquide ist und seine Rechnungen immer pünktlich bezahlt, dem wird der Kauf auf Rechnung angeboten; wer hingegen schon negativ aufgefallen ist, muss selbst in Vorleistung treten. Doch wie soll man das als Webseller während der Registrierung eines Neukunden überprüfen können?
Gar nicht, denn das erledigen Dienstleister, die sich auf das Thema Risikomanagement spezialisiert haben. Anbieter gibt es viele: zu den bekanntesten in Deutschland zählen unter anderem creditPass (www.creditpass.de), Mediafinanz (www.mediafinanz.de), Expercash (www.expercash.de) und Wirecard (www.wirecard.de).
Das Prinzip ist denkbar einfach: Man minimiert das Risiko von Forderungsausfallen, indem man seine Kunden schon vor dem Vertragsabschluss unter die Lupe nimmt. Dazu wird das Shopsystem mit den Servern der Dienstleister vernetzt, um in Echtzeit zu überprüfen, ob die Adressdaten des Kunden, die er bereits am Anfang des Bestellvorgangs eingegeben hat, verifiziert werden können.
Sämtliche gängigen Shop-Softwarelösungen sind übrigens für solche Verknüpfungen vorbereitet; große technische Änderungen muss man also nicht befürchten. Auf Wunsch kann auch in Sekundenbruchteilen eine Bonitätsprüfung vorgenommen werden. Automatisch wird anhand der Daten von Auskunfteien die Zahlungsvergangenheit des Kunden unter die Lupe genommen.
Auch wenn hier keine negativen Eintragungen zu finden sind, bedeutet das noch nicht, dass eine Zahlung auf Rechnung gefahrlos angeboten werden könnte. Hierzu könnten Webseller dann noch einen Scorewert abfragen. Dieser basiert auf soziodemografischen und mikrogeografischen Daten, wie beispielsweise dem Wohnumfeld. Als Ergebnis erhalten Sie automatisch eine statistische Ausfallwahrscheinlichkeit.
Das alles geschieht ohne Verzögerung in Echtzeit – der Kunde bekommt von den Prüfungen nichts mit. Hat er in seinem Checkout den Punkt „Zahlungsart auswählen“ erreicht, ist die Prüfung abgeschlossen und jeder Kunde bekommt individuell die Zahlungsarten angezeigt, die vorn Risikomanagement als vertretbar eingestuft werden.
Die Finanzdienstleister bieten zudem teilweise noch die Möglichkeit, sich komplett vor Ausfällen abzusichern. Zahlt ein vermeintlich „sicherer“ Kunde nicht, übernimmt der Finanzdienstleister die offene Forderung.
Zwei bis sechs Prozent
Umsonst gibt es diese Dienstleistungen eines externen Risikomanagements natürlich nicht. Konkrete Zahlen verraten die Anbieter nicht und verweisen auf individuelle Kundenabsprachen.
Zumindest aber eine Hausnummer, mit der Webseller für solche Services rechnen müssen, verrät Dr. Alexander Ey, Vorstandsvorsitzender der Mediafinanz AG, einem Dienstleister für Online-Inkasso, Bonitätsauskünfte und Ermittlungen: „Da spielen eine ganzen Reihe Faktoren eine Rolle: die Risikokriterien wie die Produktgruppe, der Vertriebskanal, die Zahlungsart oder auch der Warenkorbwert. Auf der anderen Seite gibt es ein ganzes Arsenal verschiedener Risk-Management-Produkte und Maßnahmen, die alle einen mehr oder weniger offensichtlichen Preis haben. Unterm Strich sollte der Unternehmer für einen weitgehenden Schutz vor Zahlungsausfällen ungefähr zwei bis sechs Prozent des Rechnungsbetrages kalkulieren.“
Schweigsame Webseller
Sämtliche namhaften Onlineshops arbeiten mit Finanzdienstleistern zusammen, die in Echtzeit potenzielle Neukunden unter die Lupe nehmen und anhand der Ergebnisse vorgeben, welche Zahlungsarten angeboten werden sollen. Inwieweit diese Zusammenarbeit die Anzahl der Zahlungsausfälle tatsächlich minimiert und wie hoch die Kosten für die Risikoprüfungen sind, darüber schweigen sich die Webseller aus.
Kein Wunder, schließlich will kaum ein Shopanbieter – obwohl natürlich völlig legitim – in der Öffentlichkeit darüber sprechen, dass er seine Kunden von externen Dienstleistern komplett durchleuchten lässt.
Festzuhalten bleibt aber in jedem Fall, dass professionelles Risikomanagement ein Muss für einen erfolgreichen Onlineshop ist. Nur sichere Zahlungsarten anzubieten, kann sich inzwischen kein Webseller bei der großen Zahl von Mitbewerbern mehr leisten. Dabei muss ein Webseller gar nicht unbedingt ein höheres Risiko eingehen, denn genau hier kommen die Risikomanagementspezialisten ins Spiel. Mit ihnen lässt sich der Umsatz steigern, ohne Gefahr zu laufen, von hohen Zahlungsausfällen in Schwierigkeiten gebracht zu werden.
Für alle Webseller, die erfolgreich um Neukunden werben wollen, ist dieser Weg definitiv alternativlos.