Die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) steht nach dem BGH-Urteil zur Verlegerbeteiligung vor einer Zerreißprobe. Vorstand und Journalistenverbände mahnen die Einheit von Verlegern und Autoren an. Doch dass Verlage die in den letzten Jahren erhaltenen Urheberrechtsvergütungen zurückzahlen müssen, steht eigentlich außer Frage. Eigentlich, denn bei der VG Wort scheint man ein Hintertürchen nutzen zu wollen, das das Gericht offengelassen hat!
Spannende Zeiten bei der VG Wort! Im April urteilte der Bundesgerichtshof in letzter Instanz, dass Urheberrechtsvergütungen ausschließlich den Urhebern zustehen. Also nur den Autoren und Journalisten, nicht aber den Verlagen. Das Problem: Die VG Wort schüttet die eingenommenen Geräte- und Kopiervergütungen gemäß ihrem Verteilungsplan schon seit Jahrzehnten gleichermaßen an Urheber und Verlage aus. Im wissenschaftlichen Bereich erhalten die Verlage 50 Prozent, in der Belletristik 30 Prozent.
Alle Einnahmen seit 2012 müssen die Verlage jetzt an die VG Wort zurückzahlen. Die wiederum muss die vergangenen Ausschüttungen anpassen und den Verteilungsplan für die Zukunft rechtskonform gestalten. Doch das ist gar nicht die größte Hürde, vor der die VG Wort steht.
Innerhalb der Verwertungsgesellschaft tobt momentan ein Richtungskampf. Die eine Seite will die Gesellschaft zu einer reinen Urheberorganisation umbauen. Die Folge: Die Verlagsvertreter hätten in den Gremien der VG Wort nichts mehr zu suchen.
Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass sich die zweite Fraktion durchsetzt: die, die zum Zusammenhalt zwischen Verlegern und Urhebern aufrufen. Schließlich habe die gemeinsame Rechtewahrnehmung in der Vergangenheit sehr gut funktioniert.
Doch damit diese Zusammenarbeit auch in Zukunft funktioniert, müssen Gesetzesänderungen her. Auf nationaler wie auf europäischer Ebene. Und hier drängen die VG-Wort-Verantwortlichen und Verlagsvertreter die Politik mächtig aufs Tempo!
Plant die VG Wort, eine rechtliche Hintertür zu nutzen?
Was allerdings potenzielle Gesetzesänderungen nicht verhindern können: Die Verlage müssen die Vergütungen, die seit 2012 mit Rückforderungsvorbehalt an sie ausbezahlt werden zurückzahlen. Am 9. und 10. September soll auf außerordentlichen Gremiensitzungen beschlossen werden, wie die fehlerhaften Ausschüttungen korrigiert werden und in welchem Zeitrahmen Verlage Gelder zurückzahlen müssen. Und hier scheint sich ein Vorschlag durchzusetzen, der reichlich Sprengstoff mitbringen würde.
So wird der Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang im Börsenblatt, in Bezug auf ein ausgearbeitetes Konzept, das auf der Mitgliederversammlung der VG Wort beschlossen werden soll, wie folgt zitiert:
„In deren Rahmen haben die Verlage voraussichtlich zunächst die Wahl, ob sie die Rückforderung unmittelbar begleichen oder zunächst eine Verjährungsverzichtserklärung abgeben wollen. Entscheiden sie sich für den direkten Ausgleich ihrer Schuld, müssen sie bis Anfang Dezember an die VG Wort Zahlung leisten. Geben sie eine Verjährungsverzichtserklärung ab, bekommen sie für die Rückzahlung einige Monate Aufschub, um die Höhe der Rückforderung durch Abtretungen von Rückzahlungsansprüchen ihrer Autoren senken zu können.“
Hintergrund dieser Idee ist, dass der BGH die Beteiligung von Verlagen an Urheberrechtsvergütungen ausgeschlossen haben. Es sei denn, die Autoren würden ihnen diese Vergütungen im Nachhinein abtreten.
Man kann sich als Journalist und Autor nun leicht ausrechnen, was bald von Verlegerseite auf sie zukommen wird:
„Würden Sie uns bitte diese Verzichtserklärung so schnell wie möglich unterschrieben zurücksenden? Solange das nicht der Fall ist, werden wir Ihnen leider keine neuen Aufträge mehr erteilen können!
Es bleibt nur zu hoffen, dass sich möglichst viele Autoren zusammenschließen und dieses Konzept auf der Mitgliederversammlung verhindern. Doch auch hier stehen die Vorzeichen aus Urhebersicht schlecht. Der VG Wort-Vorstand ist derzeit bundesweit mithilfe des DJV auf Werbetour, um die Mitglieder von einer gemeinsamen Rechtewahrnehmung mit den Verlagen zu überzeugen. Abtretungserklärungen könnten in diesem Fall als solidarisch und unverzichtbar für die gemeinsame Zukunft angepriesen werden.
Wann bekommen die Urheber ihr Geld zurück?
Wann und ob es überhaupt für alle Urheber zu Nachausschüttungen kommt, ist deshalb aktuell völlig offen. Dabei geht es um einen großen Batzen Geld! So hat die VG Wort von den Einnahmen aus 2015 (305 Mio. Euro) bei der Hauptausschüttung 2016 nur rund 120 Mio. Euro verteilt. Zusätzlich sitzt die VG Wort noch auf Rückstellungen von rund 70 Mio. Euro – die Gelder, die die Verwertungsgesellschaft zurückverlangen muss, liegen nach Schätzungen zusätzlich noch bei rund 100 Mio. Euro.
Die im September und November stattfindenden Gremiensitzungen versprechen also spannend zu werden. Sollte tatsächlich das Konzept, das Christian Sprang beschreibt, verabschiedet werden, würde das vor allem eines beweisen: In der VG Wort gab es noch nie eine wirkliche, gemeinsame Rechtewahrnehmung. Hier haben die Verleger das Sagen!