Monatelang hat jemand ohne Erlaubnis im Namen VG Wort getwittert. Jetzt stellt sich die Frage: Wie konnte das solange unentdeckt bleiben?
„Richte gerade mein Twitter ein #meinerstertweet“, hieß es am 1. Juni 2016: Die VG Wort eroberte die sozialen Medien und startete einen eigenen Twitter-Kanal.
Vom neuen Medium machte die vermeintliche Social-Media-Redaktion der Verwertungsgesellschaft fortan fleißig Gebrauch. So informierte man über anstehende Mitgliederversammlungen, veröffentliche Links zu VG Wort-relevanten Themen und erinnerte die Wahrnehmungsberechtigten, nicht zu vergessen, online ihre Texte zu melden.
120 Twitter-Nutzer folgten dem Fake-Profil
Den praktischen, neuen Service der VG Wort nutzen viele Journalisten, Verlage, Verbände und Organisationen gerne. Insgesamt konnte der Twitter-Kanal der VG Wort über 120 Follower gewinnen.
Dazu zählten unter anderem die folgenden Organisationen: die DJV-Landesverbände Niedersachsen, Berlin-Brandenburg, Sachsen und Baden-Württemberg, die Deutsche Journalisten Union, der Verband Freischreiber sowie die Kollegen von GEMAdialog. Auch der Branchenverband Bitkom, der seit jeher mit der VG Wort um die Vergütungshöhe von kopierfähigen Geräten ringt, folgte dem vermeintlichen Twitter-Kanal der VG Wort.
Was all die Follower jedoch nicht wussten: Hier twittert nicht die VG Wort, sondern ein unbekannter Spaßvogel! Und das unerkannt bis zum 4. September – bis ein Hinweis von Netz24.biz an die VG Wort den Schwindel aufdeckte.
Ausgestanden dürfte der Twitter-Skandal für die VG Wort damit jedoch noch längst nicht sein. Zum einen könnte für den verantwortlichen „Zwitscherer“ ein juristisches Nachspiel drohen. Zum anderen muss sich die VG Wort die Frage gefallen lassen, wie ein Unbekannter unter ihrem Namen über drei Monate unerkannt twittern konnte!
VG Wort warb für den Fake-Kanal bei Twitter
Wobei: Völlig unbekannt war der Twitter-Kanal in den Führungsgremien der VG Wort offenbar nicht, denn das DJV- und VG Wort-Verwaltungsratsmitglied Ulf J. Froitzheim twitterte am 18. Juni ganz offiziell:
„Folgt @vgwort, liebe Autoren. Es geht um Euer Geld“
Ein Verwaltungsratsmitglied der VG Wort warb also öffentlich für den Fake-Account der VG Wort bei Twitter! Man kann sich bildlich vorstellen, wie sich der Fake-Twitterer ins Fäustchen gelacht haben muss! Der Tweet wurde natürlich direkt von der Pseudo-VG Wort retweetet!
Wer bis dato noch leise Zweifel gehabt hatte, weil man von der VG Wort nicht unbedingt den verstärkten Einsatz von Smileys beim Twittern erwartet hätte – jetzt waren sie erst mal zerstreut!
Warum blieb das Fake-Profil so lange unentdeckt?
Schaut man sich die 23 Tweets des Fake-Profils noch einmal in Ruhe an, fällt auf, dass spätestens am 13. Juli 2016 hätte auffallen müssen, dass es sich hier nicht um den echten VG Wort-Kanal handeln kann. Dort hieß es nämlich in einem Tweet:
„Nach dem, was wir hören, bestehen gute Chancen auf eine Änderung des VGG. Mit dem Eingriff Maas‘ wird das alles in Ordnung kommen.“
Eigentlich schwer vorstellbar, dass sich eine Verwertungsgesellschaft derart öffentlich äußert. Umso verwunderlicher, dass keiner nachhakte: weder die Journalistenverbände, noch einer der anderen Follower. Und was noch bemerkenswerter ist: Niemandem bei der VG Wort fiel die monatelange Fälschung auf!
Für die VG Wort ist „#Twittergate VG Wort“ natürlich vor allem eines: hochnotpeinlich! Hier wird eine Menge Aufklärungsarbeit nötig sein, um zu ermitteln, wie der Ersteller des Fake-Profils monatelang im Namen der VG Wort twittern konnte, ohne dass es jemand bemerkt.
Und wie reagiert das VG Wort-Verwaltungsratsmitglied Ulf J. Froitzheim? Der hat’s schon immer gewusst und gibt via Twitter jetzt kluge Ratschläge:
„Die echte #vgwort würde ihre Mitglieder nie duzen (ihrzen?), sondern siezen. @vgwort“.“
Der Verantwortliche des VG Wort Twitter-Kanals hat ebenfalls reagiert. Er hat dem Profil den Hinweis „Fan-Account“ hinzugefügt.