Schrei vor Glück, oder schick’s zurück! So warb vor einiger Zeit Zalando offensiv mit seinem kostenlosen Hin- und Rückversand. Die perfekte Strategie für ein erfolgreiches Retourenmanagement? Wir zeigen, wie Sie die Rücksendequote minimieren und den Ablauf inhouse optimieren.
Als der DHL-Bote endlich an der Haustür klingelt, ist bei Tobias Adolphs die Vorfreude groß. Endlich ist es da, das Paket vom Online-Schuhgeschäft. Im Winterschlussverkauf hatte er Geox-Schuhe erstanden, heruntergesetzt von 99 auf 59 Euro. Ein echtes Schnäppchen! Erwartungsvoll öffnet er die Verpackung und nimmt die Sneakers aus dem Karton. Und dann ist die Enttäuschung groß. Das Oberleder ist viel heller, als es auf dem Monitorbild den Anschein hatte. Und das Fersendekor gefällt dem jungen Großhandelskaufmann überhaupt nicht. Auf den Produktbildern war diese Stelle gar nicht zu sehen gewesen. Trotzdem spielt Tobias Adolphs noch mit dem Gedanken, die Schuhe zu behalten und probiert sie deshalb sofort an, was aber die nächste Enttäuschung nach sich zieht. Das soll Größe 43 sein? Die fallen ja viel größer aus! Jetzt ist für Tobias Adolphs endgültig die Entscheidung getroffen, die Schuhe postwendend an den Händler zurückzuschicken. Also Karton wieder verpacken, Label aufkleben und ab zum nächsten DHL-Servicepoint.
Retouren: Hoher Kostenaufwand
Solche Szenen wie die beschriebene spielen sich in Deutschland täglich tausendfach ab. Kunden machen beim Online-Shopping von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch, weil die Ware nicht gefällt, nicht passt, nicht den Erwartungen entspricht oder eine mangelhafte Qualität aufweist. Für die Kunden ist dies im Allgemeinen ärgerlich, weil solch eine Retoure mit Aufwand verbunden ist und sie nicht selten auf die Rückerstattung des Kaufpreises warten müssen. Ebenso ärgerlich sind Retouren jedoch auch für die Webseller, denn sie sind schlichtweg teuer! So ist der kostenlose Rückversand für die Kunden inzwischen Standard und verursacht Kosten. Trifft die Ware wieder beim Webseller ein, muss sie angenommen und kontrolliert werden. Kostenfaktor Nummer 2. Anschließend wird die Ware aufbereitet und neu verpackt, um in den Warenkreislauf zurückkehren zu können. Dieser Arbeitsaufwand bedeutet Kostenfaktor Nummer 3. Noch teurer wird es hingegen, wenn die Ware von der Annahmestelle nur noch als bedingt oder gar nicht mehr verkaufsfähig eingestuft wird. Dann muss die Retoure als 1B-Ware vergünstigt verkauft oder komplett abgeschrieben werden. Kostenfaktor Nummer 4. Egal, wie letztendlich mit der Ware umgegangen wird, vergeht zwischen der Auslieferung an den Kunden, der die Ware später retourniert, bis zur Wiedereingliederung in den Warenbestand viel Zeit. In dieser Zeit zählt die Ware zum gebundenen, nicht nutzbaren Firmenkapital. Bei einem einzigen Paket nicht weiter dramatisch, bei einer hohen Retourenquote aber ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor. War’s das jetzt schon? Noch nicht ganz! Jetzt müssen für die Kunden noch Gutschriften erstellt werden, was Arbeitsaufwand bedeutet. Da zwangsläufig nicht jede Ware schon am Tag des Retoureneingangs dem Kunden als Gutschrift verbucht werden kann, kommt es zu Anfragen der Kunden per Mail, Brief oder Telefon, die beantwortet werden müssen. Und das bedeutet Kostenfaktor 5, der letzte Kostenfaktor.
Schlechte Beschreibungen häufig Ursache für Retouren
Die kurze Zusammenfassung, was eine Retoure auslöst, zeigt eines deutlich: Solche Rücksendungen sind für Webseller extrem teuer und sollten soweit möglich vermieden werden. Doch wie hoch ist eigentlich die Rücksendequote im Onlinehandel? Und was sind die Gründe für Rücksendungen? Antworten gibt ein Trendstudie des E-Business-Dienstleisters Novomind, PIM steht dabei für Produktinformationsmanagement. Befragt wurden bei der Studie über 1.000 Deutsche zu ihren Einkaufsgewohnheiten im Internet. Das wichtigste Ergebnis: Jeder dritte Onlineshopper schickt Produkte wieder zurück, weil sie nicht seinen Erwartungen entsprechen. Dabei gaben 10 Prozent an, dass die Ware nicht dem entsprach, was Bilder und Produktbeschreibung im Onlineshop suggerierten.
Retourenquote bei Mode und Möbeln
Wie hoch die durchschnittliche Retourenquote letztendlich ist, darüber gibt die Studie keine Auskunft. Ein solcher Durchschnittswert wäre auch wenig aussagekräftig, weil die Quote von Branche zu Branche völlig unterschiedlich ist. Mit den höchsten Zahlen haben Mode- und Möbelhändler zu kämpfen. Mehr als jeder zweite Kunde schickt Modeartikel wiederholt zurück, weil sie nicht gefallen oder weil der Artikel nicht passte. Bei Möbeln gab jeder fünfte Käufer an, bereits von seinem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht zu haben. Letztendlich gilt aber für alle Branchen dasselbe Ziel: Die Retourenquote muss so weit wie möglich minimiert werden. Nur wie?
Retourenquote senken: Realistische Darstellung
Eine Antwort darauf, wie man die Rücksendewahrscheinlichkeit verringern kann, wurde bereits in den Studienergebnissen erwähnt. Die Kunden schicken Ware dann zurück, wenn sie ihren Erwartungen nicht entsprechen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass in dem betreffenden Shop die Artikelpräsentation Schwächen aufweist. So sieht auch Markus Rohmeyer, Mitglied der Geschäftsleitung und Bereichsleiter PIM von novomind, die Lösung zur Retourenminimierung in einer optimierten Produktinformation im Shop. „Es kommt darauf an, das gesamte Look & Feel eines Produkts in den Onlineshop zu transportieren. Je mehr Informationen über das Produkt aus unterschiedlichen Quellen zusammenlaufen, desto genauer wird das Bild, das in den Köpfen der Konsumenten entsteht und desto besser können sie bewerten, ob der Artikel wirklich ihren Vorstellungen entspricht.“ Den Herstellertext zu übernehmen und ein Produktbild hinzuzufügen, reicht dafür natürlich nicht aus. Stattdessen gilt es, die Produkte möglichst exakt und realitätsgetreu darzustellen. Dabei helfen ausführliche Texte und viele Bilder, die unterschiedliche Details zeigen. Besonders gute Ergebnisse versprechen interaktive 3-D-Bilder, bei denen sich das Produkt beliebig drehen und wenden lässt und man hinein- und wieder herauszoomen kann.
Retouren als Chance begreifen
Selbst die beste Produktpräsentation wird die Retourenquote nicht auf Null sinken lassen. Muss sie aber auch gar nicht, denn das Widerrufsrecht sollten Webseller nicht nur als Ärgernis wahrnehmen, sondern auch als Chance. So würde etwa die Kleidungsbranche kaum Waren über das Web verkaufen können, wenn es nicht die Möglichkeit gäbe, die Ware zurückzuschicken. Viele Kunden empfinden es als sehr komfortabel, sich Kleidung in unterschiedlichen Größen nach Hause liefern zu lassen, um diese dort in Ruhe anzuprobieren. Wenn dann in Kombination auch noch die Zahlung auf Rechnung angeboten wird, bestellt man gerne mal etwas mehr – man kann es ja zurückschicken. Die Wahrscheinlichkeit, dass man aber später dann auch mehr behält, als man eigentlich wollte, ist für den Webseller der angenehme Nebeneffekt der Rückgabemöglichkeit. Nicht umsonst hat der Bekleidungs- und Schuhspezialist Zalando mit seinem Werbespruch „Schrei vor Glück, oder schick’s zurück“ offensiv mit der Möglichkeit der kostenlosen Retoure geworben. Inzwischen wurde der Slogan auf „Schrei vor Glück!“ verkürzt – vielleicht wollte man die Kunden dann doch nicht so deutlich auf dumme Gedanken bringen! Speziell in der Modebranche muss und sollte man jedenfalls mit einer langfristig hohen Rücksendequote rechnen. Trotzdem hilft auch hier eine professionelle Produktpräsentation den Faktor „Nichtgefallen“ als Retourengrund bestmöglich zu minimieren.
Retourenquote senken: Versand und Verpackung optimieren
Nicht nur die Optimierung der Artikelpräsentation hilft, die Retourenquote dauerhaft zu senken. Auch was nach der Bestellauslösung des Kunden geschieht, hat maßgeblichen Einfluss darauf, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Kunde die Ware wieder zurückschickt. So wurde in Studien herausgefunden, dass es zwischen der Lieferzeit und der Retourenquote einen messbaren Zusammenhang gibt. Je später das Paket beim Kunden eintrifft, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass er es zurückschickt. Besonders prägnant ist dieser Zusammenhang bei Impulskäufen. Logisch, denn der Kunde hat bis zur Anlieferung anschließend jeden Tag Zeit darüber nachzudenken, ob der Kauf denn nun tatsächlich nötig war. Neben der Versandgeschwindigkeit hat aber auch die Verpackungsqualität Einfluss auf die Retourenquote. Ist die Verpackung nämlich mies, der Karton schon beschädigt oder im Inneren unzureichend gegen Stöße gepolstert, wird der Kunde die Lieferung sehr sorgfältig inspizieren. Schon der kleinste Anschein einer vermeintlichen Beschädigung des Produkts oder sogar der Umverpackung wird ihn dann dazu veranlassen, das Produkt zurückzuschicken. Hier sollten Webseller also aus purem Eigeninteresse mit hochwertigen Verpackungsmaterialien und zudem sehr sorgfältig arbeiten.