Hat man früher nach einem Handwerker oder Facharzt gesucht, griff man zu den Gelben Seiten. Auch jetzt im lnternetzeitalter finden sich online zahllose Branchenverzeichnisse. Doch werden diese überhaupt genutzt? Und lohnt es sich, dort mit kostenpflichtigen Firmeneinträgen vertreten zu sein?
Es ist kaum länger als ein Jahrzehnt her und doch erscheint es wie aus einer anderen Zeit. Als Ende der 90er-Jahre ein Internetzugang nur ein teures Spielzeug für Technikfans war, kannte man „googeln“ noch nicht als Synonym für „nach Informationen suchen“. Hatte man seinen Schlüssel in der Wohnung vergessen und stand nun vor verschlossener Tür, hieß es: Ab zum freundlichen Nachbarn und die Gelben Seiten aufblättern. Dort waren sämtliche Branchen der Stadt schön alphabetisch sortiert. Mit wenigen Handgriffen waren die Schlüsselnotdienste aufgeschlagen und die Telefonnummern zur Hand. Diese gedruckten Gelben Seiten gibt es auch heute noch, doch viele Exemplare Wandern nach der kostenlosen Auslieferung postwendend in den Altpapiercontainer. Wer heute nach einem Schlüsseldienst oder anderen Dienstleistern in der Umgebung sucht, schlägt dafür keine dicken Wälzer mehr auf – er nutzt das Internet! Wer jetzt glaubt, dass mit dem Siegeszug des Internets Branchenverzeichnisse an Bedeutung verloren hätten, irrt sich aber gewaltig. Zumindest, wenn man sich die absolute Zahl dieser Verzeichnisse anschaut. Im Internet finden sich unzählige solcher Verzeichnisse. Alleine die Zahl redaktionell geprüfter Verzeichnisse liegt nach Expertenschätzungen im hohen, vierstelligen Bereich. Nimmt man noch die Exemplare hinzu, die kaum mehr sind als wertlose Linkfarmen, kann man getrost noch eine Null an die Zahl anhängen. Branchenverzeichnisse sind also alles andere als überholt, nur sind sie vom gedruckten Papier in die digitale Welt gewechselt.
Zahlen fürs Auffallen
Schaut man sich die bekanntesten Online-Branchenverzeichnisse wie www.gelbeseiten.de, www.goyellow.de oder www.yellowmap.de an, fallt auf, dass alle Anbieter nach einem ähnlichen Prinzip arbeiten. Unternehmer können sich in den Verzeichnissen kostenlos eintragen. Kostenlos ist aber immer nur ein Basiseintrag, der Stammdaten wie Firmenname, Anschrift, evtl. Website und Telefonnummer beinhaltet. Wer sich den Suchenden ausführlich mit längeren Texten, Bildern und Videos präsentieren möchte, muss dafür zahlen. Je nach Anbieter lassen sich dann auch noch Zusatzleistungen buchen, wie zum Beispiel eine farbliche Hervorhebung im Verzeichnis oder ähnliches.
Welcher Eintragstyp?
Sich mit seiner Website kostenlos und unverbindlich in ein Online-Verzeichnis einzutragen, kann logischerweise nie schaden. Für Webseller, die sich vorwiegend an Kunden in ihrer Umgebung richten, stellt sich aber natürlich noch eine andere Frage. Welche Bedeutung haben Branchenverzeichnisse für das regionale Online-Marketing eines Unternehmens? Lohnt es sich für Unternehmen, kostenpfichtige Premiumanzeigen zu platzieren? Marketing-Experte Thomas Noll hält von solchen kostenpflichtigen Angeboten wenig: „Nach meiner Erfahrung lohnt es sich nicht. Meist ist das organische Ranking der Website besser als der Eintrag eines Branchenverzeichnisses. Hier würde ich auch auf Anbieter wie kennstdueinen.de oder qype setzten, die neben dem Brancheneintrag noch die Empfehlungs- bzw. Bewertungskomponente haben.“ Ganz billig sind die Premium-Anzeigen zudem nicht. Bei GoYellow beispielsweise zahlt man für die größtmögliche Präsentationsform 29,90 Euro im Monat. Geld, das lokal agierende Unternehmen erst einmal wieder refinanzieren müssen.
4,5 Millionen Nutzer monatlich
Trotz aller kritischen Stimmen sollte die Bedeutung der großen Branchenverzeichnisse nicht unterschätzt werden. Dabei genügt schon der Blick auf eine Zahl von www.yellowmap.de, einem der größten Anbieter in Deutschland. Dort zählt man pro Monat bis zu 4,5 Millionen Besucher! Völlig unbedeutend können Branchenverzeichnisse und deren Marketing-Wert für Webseller also nicht sein. Natürlich sind solche Verzeichnisse nicht für alle Unternehmen interessant. Wer sich als Shopbetreiber deutschlandweit an Kunden richtet, wird kaum von einem Eintrag profitieren. lst auch logisch: Würden Sie als Kunde nach einem Onlineshop über die Gelben Seiten suchen? Wohl kaum!
Zwei Wege führen zum Ziel
Um die Bedeutung von Online-Branchenverzeichnissen zu untersuchen, gilt es zunächst einmal, das Suchverhalten von lnternetnutzern zu analysieren: Wer nach Handwerkern, Friseuren, Ärzten und anderen lokalen Dienstleistern sucht, erledigt das heutzutage fast ausschließlich online. Dabei gibt es zwei Wege, die die Anwender zum Ziel führen. Die eine Hälfte gibt die entsprechenden Suchbegriffe direkt bei Google oder einer anderen Suchmaschine ein. Die anderen, und das dürfte die klare Minderheit sein, ruft direkt ein Online-Branchenverzeichnis auf und sucht dort nach einem passenden Dienstleister. Trotzdem erreichen Sie mit einem Firmeneintrag in einem Verzeichnis nicht nur die zweite Gruppe von Nutzern, sondern über einen Umweg auch die erste.
Prominent bei Google
Warum Sie mit einem Firmeneintrag in einem Online-Branchenverzeichnis auch dann profitieren, wenn ein Nutzer gar nicht direkt über ein solches Portal nach einem Anbieter sucht, verdeutlicht folgendes Beispiel. Googeln Sie testweise einmal die Begriffe „Bodenleger Düsseldorf“. Der erste echte Treffer nach den obligatorischen AdWords-Anzeigen führt den Suchenden direkt zu den Gelben Seiten und der passenden Kategorie. Ansonsten besteht die erste Google-Trefferseite fast ausschließlich aus Google-Maps-Einträgen (auch hier sollten Sie als Webseller unbedingt vertreten sein) und Werbeanzeigen. Der erste Link, der ohne Umweg – Google Maps-Einträge einmal ausgenommen – direkt zur Website eines Bodenlegers führt, findet sich erst auf Seite 2! Ansonsten trifft man auf der ersten Google-Seite noch auf vier andere Branchenverzeichnisse.
Vier Bausteine
Sie können den Test auch für viele andere Branchen wiederholen: Das Ergebnis ist fast immer identisch. Die ersten Google-Ergebnisseiten werden zu großen Teilen von Branchenverzeichnissen bevölkert. Für die Google-Nutzer ist das in vielen Fällen ein ärgerlicher Umweg, Für Webseller hingegen eine Tatsache, die es zu analysieren und zu nutzen gilt. Sich durch die Optimierung seiner Website bei Google bei passenden Suchanfragen weit nach vorne zu katapultieren, ist nur ein wichtiger Baustein eines erfolgreichen regionalen Online-Marketing-Mixes. Ein weiterer ist die Eintragung bei allen relevanten Branchenverzeichnissen. Wenn Sie diese Bausteine zusammenfügen, führen beide möglichen Wege des Kunden zu Ihnen. Und ob der Kunde über den Umweg der Gelben Seiten auf Ihre Website gelangt oder über einen direkten Suchmaschinentreffer, dürfte Ihnen schließlich ziemlich egal sein.
Apps für unterwegs
Dass Online-Branchendienste nicht nur eine Existenzberechtigung, sondern für Webseller auch einen konkreten Nutzen haben, steht also außer Frage. Ein Internet-Trend könnte die Bedeutung der Portale in Zukunft sogar noch einmal deutlich erhöhen: das mobile Web. Dank Tablets und Smartphones mit großen Displays und schneller UMTS-und LTE-Verbindung sowie günstiger Internen-Flatrates surfen die Deutschen längst nicht mehr nur zuhause am PC oder Notebook, sondern auch unterwegs. Und dort sind Online-Branchendienste für die Nutzer sogar noch viel nützlicher. Alle großen Portale wie Google Maps (auch dort ist schließlich ein Branchenverzeichnis implementiert), GoYellow und YellowMap bieten für iPhones und Co. kostenlose Apps an, mit denen die Nutzer unterwegs auf die Informationen zugreifen können. Durch die integrierte Umgebungssuche lässt sich dann bequem nach einem italienischen Restaurant in der Nähe, nach einer Werkstatt bei einer Panne, nach einem Theater oder sonstigem suchen. Für solche Aufgaben ist ein Verzeichnis sicherlich komfortabler zu bedienen als die reguläre Google-Suche.
Premiumdienste testen
Bleibt die abschließende Frage zu klären, wie sich lokal und regional agierende Unternehmen bei Online-Verzeichnissen positionieren. Egal, in welcher Branche Sie tätig sind: Einen kostenlosen Eintrag bei den großen „Allrounder-Portalen“ sollten Sie in jedem Fall vornehmen, denn ansonsten verpassen Sie schlicht und ergreifend die Möglichkeit, dort von potenziellen Kunden gefunden zu werden. Es wäre betriebswirtschaftlich völlig unvernünftig, solche Chancen ungenutzt zu lassen. Ob sich kostenpflichtige Premiumanzeigen lohnen, steht hingegen auf einem ganz anderen Blatt. Die Pizzeria vor Ort wird sicherlich kaum zusätzliche Kunden gewinnen, wenn sie sich auf den Portalen mit einer auffälligen Anzeige präsentiert. Für Unternehmen, bei denen ein einziger Auftrag die Kosten für die Portaleintragung mehr als wett machen würde, sieht es natürlich ganz anders aus. Hier kann es durchaus Sinn machen, sich vom Wettbewerb abzuheben. Letztendlich hilft im Zweifel nur das Ausprobieren. Viele Portale bieten kostenlose Schnupperangebote bei ihren Premiumdiensten. Wer diese in Anspruch nimmt und durch Kundenbefragungen exakt ermittelt, welchen Effekt der Eintrag gebracht hat, kann die Ergebnisse analysieren und entsprechend den Vertrag verlängern oder eben kündigen. Zudem sollten Sie sich auch nach spezialisierten Verzeichnissen für Ihre Branche umschauen. Hier gilt dasselbe Grundprinzip: Kostenlose Dienste immer nutzen, kostenpflichtige hingegen nur nach Nutzenanalyse buchen und immer im Blick haben, ob die Kosten wieder eingespielt werden können. Je mehr Portale schließlich Ihre Premiumanzeigen veröffentlichen, desto höher sind auch Ihre laufenden Kosten!