Die VG Wort will das BGH-Urteil zur Verlegerbeteiligung einem Tweet zufolge „weitgehend ungeschehen“ machen. Das soll bei der anstehenden Mitgliederversammlung am 10. September beschlossen werden. Das Ziel: Rückzahlungsforderungen an Verlage sollen minimiert werden – und damit auch Nachzahlungen an Urheber.
Dass sich VG Wort vehement dafür einsetzt, dass sie auch in Zukunft die Rechte von Verlegern und Urhebern gleichermaßen wahrnehmen will, macht sie schon seit mehreren Monaten mehr als deutlich.
Unterstützt von Verdi und dem DJV tourt die VG-Wort-Spitze schon seit einigen Wochen durch die Republik und wirbt bei ihren Mitgliedern um Zustimmung zu ihrem Kurs. Das Argument des geschäftsführenden Vorstands Dr. Robert Staats: Gemeinsam bekämen Autoren und Verleger mehr Geld, als wenn jede Gruppe alleine mit der Geräteindustrie über die Höhe von Geräteabgaben verhandeln müsste.
Nach derzeitigem Rechtsstand jedoch darf die VG Wort ausschließlich an Urheber ausschütten. Verleger gehen leer aus – es sei denn, die Autoren würden ihnen ihre Rechte im Nachhinein abtreten.
VG Wort will Rückzahlungen der Verlage minimieren
Auf der Mitgliederversammlung am 10. September soll nun beschlossen werden, wie man mit der Korrektur der vergangenen Ausschüttungen umgehen soll. Mindestens seit 2012 müssen die Verlage nämlich die erhaltenen VG-Wort-Abgaben zurückzahlen. Die entsprechenden Gelder stehen schließlich den Urhebern zu.
Für die Mitgliederversammlung wurden von der VG-Wort-Spitze entsprechende Beschlussvorlagen an die Mitglieder verschickt. Allerdings nur unter dem Vorbehalt, diese vertraulich zu behandeln. Einige Punkte sind aber bereits jetzt durchgesickert und sorgen für heftige Diskussionen:
So will die VG Wort für die Begleichung von Rückforderungen der Autoren unter anderem Nachzahlungen nutzen, die von der Geräteindustrie für Multifunktionsdrucker geleistet wurde. Martin Vogel, der mit seiner Klage die Verlegerbeteiligung gestürzt hatte, kritisiert jedoch, dass diese Gelder ohnehin ausschließlich den Urhebern zustünden.
Ein weiterer Kniff der VG Wort: Die Verlage sollen die Möglichkeit bekommen, ihre Rückzahlungsforderung zu senken, indem sie Abtretungserklärungen ihrer Autoren vorlegt. Man braucht keine große Fantasie, um sich vorzustellen, wie solche freiwilligen Abtretungen in der Praxis entstehen würden.
VG Wort ruft Mitglieder auf, BGH-Urteil ungeschehen zu machen
Die VG Wort tut also offensichtlich alles, um die Auswirkungen auf die Verleger weitestgehend abzumildern – auf Kosten der Urheber. Vor diesem Hintergrund kommt ein VG Wort-Tweet, der am 3. September in den sozialen Medien auftauchte, eigentlich gar nicht überraschend. Sehen Sie selbst:

Bei diesem Tweet der VG Wort weiß man als Autor nicht, ob man staunen, lachen oder weinen soll!
Noch einmal im Klartext: Die VG Wort twittert: „Kommt alle zur Mitgliederversammlung – mit einem neuen Verteilungsplan können wir das BGH-Urteil weitgehend ungeschehen machen.“
Das ist also das Rechtsverständnis bei der Verwertungsgesellschaft Wort? Bei der VG Wort interpretiert man Gerichtsurteile so, dass man alles dafür tun sollte, sie bestmöglich auszuhebeln. Den Autoren und Journalisten, also ihren eigenen Mitgliedern und Wahrnehmungsberechtigten, sollen also durch formelle Kniffe Gelder enthalten werden, die ihnen rechtmäßig zustehen.
Satireaccount? VG Wort gehackt?
So viel Unverfrorenheit, das auch noch ganz ungeniert als Ziel auszugeben und die Mitglieder zu ermuntern, diesen Weg zu unterstützen, hätten offenbar selbst Kritiker der VG Wort nicht zugrtraut. Entsprechend fallen einige Reaktionen auf den Tweet aus.
„Es scheint sich um einen Satireacccount zu handeln“, meint „Twipsy von FK-tv“.
„Jan Spoenle „ fragt: „Ist der Account von @vgwort gehackt worden?“
„kid37“ fragt: „Auf welcher Seite steht ihr?“
Handelt es sich um einen Satireaccount? Eigentlich schwer vorstellbar, denn der Account existiert ja schon seit dem 1. Juni 2016. Und das unbemerkt von der VG Wort?
Wurde der Account also gehackt? Die VG Wort, die eigentlich unermüdlich für ihre Autoren kämpft, wurde Opfer einer gemeinen Hacker-Attacke? Man hofft ja fast, dass es so gewesen ist. Wir haben bei der VG Wort also nachgehakt. Und tatsächlich! Nach Angaben der VG Wort-Sprecherin Angelika Schindel handelt es sich bei diesem Tweet um einen Fake! Natürlich wolle man das BGH-Urteil nicht weitgehend ungeschehen machen. Man habe die Angelegenheit an die Anwälte weitergeleitet. Offenbar ist das ganze Twitter-Profil ein Fake!
Update vom 05.09.16, 12:35 Uhr: Inzwischen dürften auch die letzten Zweifel beseitigt sein, dass es sich um einen Fake-Account handelt. So lautet der letzte vermeintliche VG-Wort-Tweet: „Ist der Verteilungsplan kassiert, lebt es sich ganz ungeniert.“
DJV Sachsen unterstützt vermeintlichen Aufruf der VG Wort
Viel heiße Luft um nichts also? Nicht so ganz! Interessant ist nämlich, wie man beim DJV auf den vermeintlichen Tweet der VG Wort? Schließlich setzt sich der DJV ja für die Interessen der angestellten Redakteure und freien Journalisten ein! Und wie reagiert man dort? Ganz einfach: Der Fake-Tweet der VG Wort wird vom DJV Sachsen brav retweetet. Sehen Sie selbst:

Der DJV Sachsen unterstützt den vermeintlichen Aufruf der VG Wort.
Beim DJV Sachsen scheint man also tatsächlich der Ansicht zu sein, dass das BGH-Urteil weitgehend ungeschehen gemacht werden sollte! Nur zur Erinnerung: Das ist kein Verlegerverband, sondern der Interessenvertreter der Journalisten!