Wie können Onlinehändler die Retourenquote senken und die Kosten pro Retoure minimieren? Antworten liefern Dieter Urbanke, Vorsitzender der Geschäftsführung der Hermes Fulfilment GmbH und Michael Lück, Abteilungsleiter Online-Vertrieb bei der Hermes Logistik Gruppe Deutschland im Interview.
Was können Onlinehändler konkret tun, um die Retourenquote so niedrig wie möglich zu halten?
Dieter Urbanke: Einfluss nehmen auf die Retourenquote kann nicht nur der Webseller, sondern auch der Fulfilment-Dienstleister. Stellschrauben sind ausführliche Produktinformationen, schnelle Lieferzeiten, bruchsichere Verpackungen, eine hohe Kommissionierqualität und damit ein fehlerfreies Paket. Mit Hilfe eines 3D-Zooms etwa kann im Webshop die Passform und das Gewebe eines Kleidungsstücks genau dargestellt werden. So sieht der Besteller von vornherein, ob ihm die Beschaffenheit des Kleidungsstücks gefällt. Auch Größentabellen können dazu beitragen, die Zahl der Retouren so gering wie möglich zu halten. Bei technischen Geräten ist es wichtig, eine detailgenaue Produktinformation zur Verfügung zu stellen und bei Bedarf mit den Bestellern in den Dialog zu treten. Hat ein Kunde etwa Fragen bei der Installation eines Computers, können erfahrene Mitarbeiter vom Customer Care Service ihn telefonisch unterstützen. Auswirkungen auf die Retourenquote haben auch die Aufmachung des Pakets und die Platzierung des Retourenscheins, der nicht das Erste sein sollte, das der Kunde beim Öffnen der Sendung sieht. Kurzum: Das Öffnen des Pakets soll beim Kunden ein positives Einkaufserlebnis auslösen. Trotz aller Anstrengungen lassen sich Retouren im Distanzhandel nicht vermeiden, da sie immanenter Bestandteil des Geschäftsmodells sind. Wenn man Retouren erschwert, reduziert man eher die Nachfrage als die Retourenquote.
Welchen Einfluss haben die unterschiedlichen Zahlungsverfahren auf die Retourenquote?
Dieter Urbanke: Die Retourenquote steht in direktem Zusammenhang mit den angebotenen Zahlungsverfahren. In Deutschland bestellen die Endkunden zu rund zwei Dritteln auf Rechnung. Sie sind es gewohnt, die Ware erst zu bezahlen, wenn sie sie behalten. Das verleitet den Endkunden dazu, mehr zu bestellen, als er tatsächlich behalten möchte. Die Folge: Durchschnittlich vier von zehn bestellten Artikeln gehen nach Branchenangaben zurück an den Absender. Damit sind die Deutschen Europameister im Zurückschicken von Ware. In Frankreich beispielsweise ist die Retourenquote noch nicht einmal halb so hoch. Das liegt auch daran, dass die Händler dort zu 90 Prozent nach Vorkasse versenden. Dadurch steigt die Hemmschwelle, Artikel zu retournieren.
Retouren stellen für Webseller einen hohen Kostenfaktor dar. Wie lässt sich dieser so niedrig wie möglich halten?
Dieter Urbanke: Mit Retouren steht und fällt die Rentabilität. Deshalb müssen sie aus dem Geschäftsmodell heraus finanziert werden. Onlinehändler sind also gezwungen, ihre Retourenlogistik so effizient wie möglich zu gestalten, damit die Kosten nicht aus dem Ruder laufen. Entscheidend ist dabei, die zurückgeschickte Ware so rasch wie möglich wieder in den Warenbestand zu integrieren. Daran werden heute und künftig Händler und Dienstleister gemessen.
Wie können Dienstleister wie Hermes Fulfilment Webseller beim Retourenmanagement unterstützen?
Dieter Urbanke: Mit spezialisierten Mitarbeitern, einer ausgefeilten Logistik und einer weitgehenden Automatisierung. Nur so lässt sich die als neuwertig beurteilte Ware innerhalb kürzester Zeit wieder in den Handel bringen. Rund 50 Millionen zurückgegebene Teile pro Jahr werden in unserem Retourenbetrieb in Hamburg beurteilt und gegebenenfalls bearbeitet– so viele wie in kaum einem anderen Retourenbetrieb in Europa. Speziell geschulte Mitarbeiterinnen prüfen die Bekleidung auf Beschädigungen und Anprobierspuren. Falls nötig, werden Fussel oder kleine Flecken entfernt, bei Bedarf wird die Ware gereinigt oder aufgebügelt. Die Beurteilung technischer Geräte ist deutlich aufwändiger. Mitarbeiter führen komplexe Funktionsprüfungen durch, kontrollieren beispielweise, ob noch Bilder in der Digitalkamera gespeichert sind, und stellen die Werkseinstellung wieder her. Anschließend wird die Ware ins Automatische Retourenlager nach Haldensleben transportiert, das nach Herstellerangaben das größte Lager seiner Art weltweit ist. Dort werden die Retourenwannen automatisch ein- und ausgelagert. Das erhöht die Kommissionierleistung auf durchschnittlich 200.000 Teile pro Tag und senkt die Kosten der Ein- und Auslagerung. Nur mit dem Automatischen Retourenlager ist es wirtschaftlich möglich, die stetig steigende Zahl der Kundenaufträge effizient zu bearbeiten und den Marktanforderungen hinsichtlich Kundenservice, Warenverfügbarkeit und Liefergeschwindigkeit gerecht zu werden. Dafür hat Hermes Fulfilment in diesem Jahr den Innovationspreis Logistik des Vereins Deutscher Ingenieure erhalten.
Welche Möglichkeiten haben Kunden von Online-Shops, Waren mit Hermes zu retournieren?
Michael Lück: Die Rücksendemöglichkeiten für den Endkunden hängen von den individuellen Vereinbarungen ab, die der betreffende Online-Shop mit uns getroffen hat. Besonders einfach und flexibel ist die Rückgabe von Sendungen in einem unserer 14.000 Hermes PaketShops. Da die Shops im Einzelhandel wie zum Beispiel in Kiosken, Getränkemärkten oder Tankstellen installiert sind, profitiert der Kunde dabei selbst am Wochenende von besonders langen Öffnungszeiten. Hinzu kommen kurze Wege: So ist in Großstädten der nächste Hermes PaketShop durchschnittlich nur 600 Meter entfernt und damit auch zu Fuß problemlos erreichbar. Auf Wunsch holt Hermes eine Retoure auch direkt an der Haustür des Kunden ab und schickt sie anschließend an den Versender zurück. Die Abholung können Verbraucher wahlweise online oder telefonisch über unseren Kundenservice beauftragen. Kunden, die erneut eine Warenbestellung erhalten, haben darüber hinaus die Möglichkeit, ihre Retoure bei dieser Gelegenheit direkt dem Hermes-Zusteller mitzugeben. Auf diese Weise entfällt für sie die Vereinbarung eines Abholtermins.
Vielen Dank für das Gespräch!